Challenge Roth 2021: Ja oder nein?

Vielleicht eine meiner schwersten sportlichen Entscheidungen, die ich treffen muss. Um das ein bisschen besser verstehen zu können, helfen dir vielleicht die Rahmenbedingungen, die bei mir gerade herrschen.

Findet das Rennen überhaupt statt?

Wir sind jetzt Ende Januar im Lockdown. 3 Monate schon und irgendwie noch kein Ende in Sicht. Aktuell dürfen sich 3 Personen treffen und der Impfstoff schafft es nicht aus den Produktionshallen. Die Challenge soll am 04. Juli 2021 stattfinden. Ein Event mit 5.000 Athleten und 350.000 bis 400.000 Zuschauern. Klar, alles outdoor. Aber wenn du schon mal Bilder vom Solarerberg gesehen hast, gilt Outdoor auch nicht mehr. Geht es, dass in 22 Wochen sich die Welt wieder „normal“, also wie gewohnt dreht? Ich kann es mir kaum vorstellen. Und die Challenge in Roth ohne Zuschauer oder nur begrenzt und mit weniger Stimmung will ich nicht machen. Auch wenn das vielleicht egoistisch ist, aber es ist ehrlich.
Ich bin in einer Situation, in der ich mir nicht beweisen muss, ob ich in der Lage bin, eine Langdistanz zu schaffen. Das hab ich erledigt, schon zwei Mal. Ich möchte ein Rennen machen in dem ich deutliche schneller bin als meine bisherige Bestzeit. Und das (eventuell) ohne Zuschauer ist für mich nicht möglich.

Langdistanz Triathlon ist eine mentale Herausforderung

Im Rennen beschäftigst du dich zehn bis zwölf Stunden mit dir selbst. Du hast natürlich eine Aufgabe (schwimmen, radeln oder laufen), trotzdem kommen immer mal wieder die Fragen nach dem „warum“ in meinen Kopf. Und in einem Rennen, bei dem ich gut vorbereitet und mit richtig Bock an der Startlinie stehe, habe ich immer eine Antwort auf diese Fragen gehabt.
Aktuell habe ich keinen Bock. Keine Lust zu trainieren, denn ich frage mich nach dem Sinn. Und der Sinn ist bei mir eigentlich immer der Wettkampf. Jetzt ist der Wettkampf fraglich und somit steht auch das „warum“ im Training auf der Kippe. Ich schaffe es gerade nicht das umzusetzen, was ich mir vornehme.

Optimist trifft Realist, der sich mit dem Pessimisten beratschlagt

Ich kenne meine Fähigkeiten, egal ob sportlich oder mental. Und ich weiß, was ich können muss, damit ich eine Chance auf meine Bestzeit habe. Aus der sportlichen Sicht ist das ein einfach soll/ist Vergleich. Und, wenn ich diesen ganz ohne rosa Brille betrachte, ist der Zug schon abgefahren. Natürlich weiß ich auch, dass wenn ich meinen gewohnten Rhythmus aufnehmen kann, die Form schnell kommt.

Zurück zur Ehrlichkeit

Die Frage, die sich mir stellt, ist: Habe ich genug Lust aufs Training um die Challenge dieses Jahr gut zu absolvieren?
Eine Seite in mir sagt: „Durch meine Trainer Rolle will ich natürlich ein Vorbild sein und so ein Ding auch durchziehen, wenn es schwer wird. Das erwarten eigentlich alle von mir.“ Umso schwerer fällt es mir öffentlich zuzugeben, dass ich gerade keinen Spaß daran habe, selbst nach Plan zu trainieren. Und da es immer noch ein Hobby ist (und das selbst trainieren immer eins bleibt) werde ich höchstwahrscheinlich meinen Start bei der Challenge verschieben.

Was bleibt, ist ein neuer Weg …

Bringt Abwechslung neue Motivation? Ich denke ja. Abwechslung bedeutet aber nicht, dass ich von Triathlon auf Schach umsteige. Das sicher nicht. Es geht eher darum, das Konstrukt „ich muss das heute trainieren“ auf „ich trainiere, auf was ich heute Lust habe“ umzustellen. Dass das nicht der zielgerichtete Weg ist, weiß ich auch. Ist aber nicht ein zackiger Weg besser als kein Weg? Und mit Lust an der Bewegung kommt Trainingsrhythmus. Und mit Rhythmus kommt eine Form, mit der es schon mal wieder mehr Spaß macht Laufen zu gehen. Ich denke, das kennt jeder, laufen macht nur Spaß, wenn es sich leicht anfühlt. Entscheide ich mich aber für diesen (zackigen) Weg, gibt es keinen Start 2021 – denn mit Blick auf den Anfang dieses Blogs, geht es nicht bei mir dieses Mal nicht darum ins Ziel zu kommen.

Mentales Training

Falls du in einer ähnlichen Situation bist, stellt sich doch die Frage was hilft, um aus diesem Strudel zu entkommen.

  • Eine objektive Meinung bekommen (mit der Frage, ob Meinungen objektiv sein können)
  • Eine rein faktenbasierte Aufstellung zwischen Wunsch- und Ist Zustand erstellen
  • Mach dir klar, was du kannst!
  • Ehrlichkeit zu dir selbst: Was will ich wirklich?
  • Kleine, erreichbare & messbare Ziele definieren
  • Kommunikation der Situation und der Ziele
  • Kleine Tricks gegen den Schweinehund

Eine objektive Meinung bekommen

Tausche dich, wenn möglich, mit unterschiedlichen Personen aus. Beschreibe, was dich beschäftigt und warum du gerade (gefühlt) in einer Sackgasse steckst. Wenn du die Möglichkeit hast, Meinungen von unterschiedlichen Personen zu bekommen hilft es mir sehr, diese etwas zu kategorisieren. Zum Beispiel kann jemand, der regelmäßig Sport macht die Situation eher beurteilen als jemand, der noch nie trainiert hat. Aber bitte daran denken, es geht um Kategorieren nicht um Beurteilungen. Wir Menschen neigen dazu, gerne das zu hören, was wir wollen und es ist immer leichter jemandem zuzustimmen, der die gleichen Meinung vertritt, wie wir selbst. Aber vergiss bitte nicht, dass eine andere Meinung auch aus einem anderen Blickwinkel herführt und dass es sich immer lohnt, diesen Blickwinkel einmal anzunehmen.
Ich saß schon viele Tage auf Fuerteventura im Trainingslager und habe mich zwischen den Einheiten vom Fernseher berieseln lassen, weil ich für einen sozialen Umgang zu diesem Zeitpunkt nicht fähig war. Und mittags um 15 Uhr auf RTL 2 passiert jetzt nichts, was dich zum Raketenforscher werden lässt. Und ich habe mich immer gefragt, wie man Tag ein und Tag aus vom Bett über den Kühlschrank vor den Fernseher pendeln kann, ohne was zu machen oder zu ändern. Jetzt am Ende des dritten Lockdown Monats kann ich es nachvollziehen. Mir gibt der Sport ein klein bisschen Struktur und natürlich unser Hund, den das ganze nicht interessiert. Aber wenn ich mir vorstelle, ich hätte nie so ein Hobby ausgeübt würde mir, das noch viel schwerer fallen, als es gerade schon ist.
Was ist daran jetzt objektiv? Jeder der eine Meinung zu deinem Thema abgibt, ist objektiv. Sie oder er macht sich ja die Mühe, dir zuzuhören und zu antworten. Was du damit machst, bleibt dir vollkommen selbst überlassen.

Die faktenbasierte Aufstellung

Im Sport finde ich das ziemlich einfach. Ich öffne TrainingPeaks und lasse mir die reine Anzahl an trainierten Stunden über einen gewissen Zeitraum anzeigen. Daran kann ich schon mal gut erkennen, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Dazu kommen differenzierte Auswertungen für einzelne Intensitätszonen und deren Verteilung. Zu guter Letzt nehme ich die aktuellen metabolischen Parameter und setzte sie ins Verhältnis zum Ziel. Und zack: eine rein faktenbasierte Aufstellung zwischen Ist und Wunsch.
Du kannst das nicht? Für irgendwas muss ich auch noch gut sein 😉

Mach dir klar, was du kannst

Wir bleiben im sportlichen Bereich. Was fällt dir leicht? Was macht dir Spaß? Welche Einheit lässt du nie aus? In welcher Umgebung läuft das Training von allein? Was sind super Rahmenbedingungen? Mit welchen TrainingspartnerInnen? …
Und vielleicht das ganze auch noch mal auf metabolischer Ebene. Eine hervorragende Sauerstoffaufnahme, wenig Laktatproduktion, eine super Ausschöpfung, … und bitte vergleiche dich nicht mit Emanuel Buchmann, Jan Frodeno oder Eliud Kipchoge. Der deutsche Durchschnittsbürger hat einen VO2max von 35. Du?

Ehrlichkeit: Was will ich wirklich?

Versuche den wahren Grund zu finden. Den musst du auch gar nicht erzählen. Es reicht, wenn du ihn kennst. Warum machst du Sport? Und nicht was erwarten die anderen von mir. Wenn du dein Warum kennst, bin ich sicher, dass die Motivation von allein kommt.
Und worauf habe ich gerade richtig Lust? Mein Rad zu nehmen und an einem Tag über die Alpen zu fahren. Dauert sicher auch 12h, ist aber kein Ironman.

Kleine, erreichbare & messbare Ziele

Das ist ein essenzieller Schritt in diesem Prozess. Kleine Ziele, die maximal einen Monat überspannen. Das kann zum Beispiel sein: Ich möchte nächste Woche dreimal Sport machen. Oder im Februar 2 Kilo verlieren (die Ausgangssituation ist für die Erreichbarkeit maßgeblich). Definiere deine Ziele, gerne auch mithilfe eines Trainers. Der ist in der Lage, Ziele messbar und erreichbar zu machen.

Kommuniziere deine Ziele

Häng sie dir an den Kühlschrank oder mache Sie anders sichtbar. Es ist leicht, ein Ziel, das keiner kennt, unter den Tisch fallen zu lassen. Ein klein bisschen „Kontrolle“ von außen hilft sehr.
Ich habe sehr lange mit einem Trainer zusammen gearbeitet. Ich war der Athlet und habe alles, was mich betrifft einfach ausgelagert um Objektivität und Kontrolle zu bekommen. Seit einem Jahr bin ich „allein“ mit meinem Plan und es fällt mir sehr viel schwerer. Natürlich ist das Typabhängig, das sind meine Erfahrungen damit.

Kleine Tricks gegen den Schweinehund

1. Verabrede dich mit einem TrainingspartnerIn – der beste Weg um Termine zu halten

2. Terminiere dein Training am Tag vorher. „Um 18 Uhr wird trainiert!“

3. Versuche 30 Minuten vor dem Training freizuhaben um nicht gestresst und hektisch in eine Einheit zu gehen. Mir ist klar, dass das nicht täglich funktioniert. Es macht aber einen großen Unterschied.

4. Routinen aufbauen für die 30 Minuten vor dem Training. Zurück nach Fuerteventura. Unser Radtraining beginnt da immer um 11 Uhr. Um 10:30 Uhr beginnen die Vorbereitungen, die auch immer gleich ablaufen. Der Ablauf lässt sich wirklich kopieren. Musik an, Biagletti Kanne vorbereiten und Espresso kochen, Sonnencreme, Radflaschen mit Getränken vorbereiten, Verpflegungsmenge diskutieren und bereitlegen, Umziehen, Verpflegung einpacken, Reifendruck prüfen und notfalls pumpen, Kette prüfen und notfalls schmieren, Schuhe an, Helm auf, Radcomputer anschalten, Powermeter kalibrieren und los. Das dauert 30 Minuten, geht sicher auch in 10. Bringt dich aber nicht in die gleiche Stimmung.

5. Musik! Wenn du gerne Musik hörst, brauchst du eine Playlist für vor und eventuell während dem Training. Jedes Mal überlegen zu müssen, was du jetzt hören möchtest würde mich nerven und ablenken.

Das sind ein paar kleine Sachen, dir mir helfen in den Trainingsmodus zu kommen. Vielleicht ist was für dich dabei.