Vorgeschichte

Um alles beschrieben zu kommen, muss ich etwas ausholen. 8 Tage vor dem Wettkampf bin ich morgens mit einer ISG Blockade aufgewacht und konnte mich eigentlich nicht bewegen. Das bedeutete folgende Situation: Nach 39 Wochen Vorbereitung und 500 Stunden Training lag ich im Bett und kam fast nicht raus, Wettkampf in 8 Tagen. Wie die meisten wissen habe ich ein paar Erfahrungen mit dem Lösen von Blockaden und natürlich hab ich alles versucht was mir eingefallen ist, um das Problem zu lösen. Am Sonntag ging es schon deutlich besser. Aber trotzdem habe ich die geplante Radeinheit nur zur Hälfte absolvieren können und den dazugehörigen Koppellauf nur angetastet. Beides, Rad und Lauf, war mit Schmerzen.

Montag: Ruhetag. Dienstag: 2h Rad mit 8 x 5min Renntempo, das war geplant. Nach 60 Minuten hab ich angehalten, ein Intervall hab ich geschafft. Ich hatte keine Kraft, keinen Rhythmus und musste abbrechen. Mittwoch: laufen – das ging so naja. Donnerstag schwimmen ohne Probleme. Stimmung richtig am Boden.

Am Donnerstag war dann auch klar, dass es eine Hitzeschlacht in Frankfurt geben wird. Gemeldet waren bis zu 40 Grad am Mittag und genau die Meldung hat es mich schaffen lassen meine Gedanken neu zu sortieren.

Nach etlichen Gesprächen mit Julia in der Woche habe ich alles auf 0 gesetzt, den Rücken beiseite geschoben und gesagt: bei 40 Grad kommt sowieso alles anders! Also kannst du auch locker ins Rennen gehen.

Samstag

Am Samstag steht bei einer Langdistanz immer der Bike CheckIn an, also n bisschen Arbeit und Beschäftigung. Den ganzen Nachmittag lag ich im abgedunkelten Hotelzimmer und hab gar nichts gemacht. Je weiter es auf den Abend zu geht, desto mehr komme ich den Tunnel. Ich rede nichts mehr, kann kaum Gesellschaft ertragen und hoffe, dass ich schlafen kann. Das hat dieses Mal perfekt geklappt.

Sonntag – Race Day

Aufstehen um 3:30 Uhr. Frühstück um 4:00, man kann im Frühstücksraum die Anspannung spüren. In unserem Hotel sind viele Athleten untergebracht. Es ist ziemlich ruhig, man hört nur Gemurmel. Abfahrt im Bus zum See um 4:40 Uhr. Nach Ankunft am See kurzer Rad Check, Verpflegung ans Rad machen, Reifen aufpumpen, die letzten Handgriffe erledigen die mich immer beruhigen. Ich war mittlerweile oft an einem Rennmorgen in der Wechselzone und kleine Routinen helfen mir mit der Anspannung klar zu kommen.

Es war mir schon am Donnerstag klar, dass es Neopren Verbot geben würde, der See war warm wie eine Badewanne. Und auch das war mir vollkommen egal, weil ich damit gerechnet habe und mich darauf eingestellt habe.

Der Start war sehr emotional, ein toller Moment am See bei dem 3000 Athleten den Gruß der Isländischen Fußballer klatschen. Mein Schwimmen war unspektakulär und solide. Locker und entspannt. Das einzige was etwas schwer war, war der Weg in Richtung Ausgang, da die Sonne so tief im Gegenlicht stand und ich nichts gesehen habe.

Raus aus dem Wasser und rauf aufs Rad, Wechsel war problemlos. Die Radstrecke führt zuerst vom See mitten nach Frankfurt auf einer zweispurigen Straße. Es war eben, top Asphalt und kein Wind. Das kommt mir entgegen und ich bin die ersten 17km entspannt los gefahren mit 38 km/h im Schnitt. Dann geht es auf zwei Radrunden in die hessische Prärie. Alles lief locker und entspannt, kommt ja auch noch n bisschen was. Irgendwann kommt auf der Strecke eine ziemlich heftige Kopfsteinpflaster Passage an deren Ende auf einmal mein Schalthebel gewackelt hat und er sich leicht gelöst hat. Egal, war mein Gedanke, schaltet ja noch und ich muss es halt n bisschen festhalten beim schalten.

Dann wurde es das erste mal Ruhig und „langweilig“. Die Radstrecke hat die meiste Zeit keine Besucher und du bist mit dir und deinen Gedanken alleine. Treten, essen und trinken – mehr mach ich da eigentlich nicht. Am Ende der ersten Radrunde dann endlich wieder Zuschauer und bekannte Gesichter. Das ist Gold wert! Nach 90km zeigte die Uhr 2:35h und ich war vollkommen im Soll. Also ab auf die zweite Runde und die schlimmsten drei Stunden meines Rennens begannen.

Mittlerweile war es warm bis heiß plus Gegenwind. Du kannst dir einen Fön direkt vors Gesicht halten und anschalten. Genauso hat es sich 3 Stunden auf dem Rad angefühlt. Ziemlich am Anfang der Runde kommt die Kopfsteinpflaster Passage wieder, dieses Mal hing mein Schalthebel nur noch am Zug. Also Stopp beim Bike Check die (für mich ewig) diskutieren wie das Problem gelöst werden kann. Bis ich eingeschritten bin und wir gemeinsam das Ding mit Panzertape festgeklebt haben. Von 130 – 170 km war es nur brutal: heiß, windig, keine Zuschauer, für die Verhältnisse zu wenig Verpflegungsstellen. Ich hab mir mehr als einmal überlegt anzuhalten und den Schalthebel rauszureißen und das Rennen wegen „technischem Defekt“ abzubrechen. In solchen Momenten benötigst du einen Grund warum du das hier machst der stark genug ist nicht anzuhalten. Nachdem die Hitze immer Größer wurde habe ich beschlossen meine Leistung etwas zu reduzieren, war ja noch ein Marathon zu laufen. Bei km 170 kommt der letzte Anstieg der Strecke, danach gehts eigentlich nur noch Bergab nach Frankfurt. Nur noch locker pedalieren, nochmal essen und dann in die Wechselzone 2.

Ich nehm meinen Beutel mit den Laufschuhen und setzt mich ins Zelt, dass eher eine Sauna ist. Feucht und stickig und wieder der Gedanke – soll ich einfach sitzen bleiben … Meine Eltern waren dabei, Julia ist immer dabei und dann muss ich da auf jeden Fall raus. Das gehört sich 🙂 Mittlerweile hatte es zwischen 38 Grad (Schatten) und 44 Grad in der Sonne. Und es kam alles anders als gedacht. Ich lief los und ich hatte bei km1 meinen Rhythmus und Kontrolle über den Lauf. Und der blieb bis zum Schluss. Ich konnte den Marathon so kontrolliert wie noch nie laufen. Meine oberste Priorität war Kühlung und Verpflegung, so dass ich durch jede Verpflegungsstation gegangen bin

und alles mitgenommen habe was kalt macht. In Frankfurt läuft man 4 mal eine 10,5km Runde. Und ich lief von Verpflegung zu Verpflegung (alle 2km) und von Julia zu
Julia 🙂 die immer bei km1,5 stand und dann nachdem ich durch war über die Mainbrücke gerannt ist, damit sie bei km 6 wieder da war. Und das ist so unglaublich hilfreich, wenn ich Fixpunkte auf der Strecke habe auf die ich mich verlassen kann. Und so kam es, dass ich erst bei km36 kämpfen musste. Und du kannst dir sicher vorstellen, dass das kämpfen bei km41 schon wieder vorbei ist. Ab da habe ich mich nur noch feiern lassen. Der Zieleinlauf mit den letzten 200 Metern war bombastisch und wenn der Stadionsprecher dich mit den Worten „Manuel, you are an Ironman!“ begrüßt sind die meisten Strapazen wieder vergessen.

Warum dieses Bericht im Blog

Ich habe mich auf dieses Rennen über 500 Stunden lang vorbereitet und bin in der letzen Woche gestrauchelt. Und das kann jedem und immer wieder passieren und dann hilft mir das etwas rational zu sehen, wie z.B. jetzt waren die letzten 100h im Training gut, aktuell 3h schlecht und ich kann nichts mehr? Unser Gehirn handelt da sehr emotional, was auch gut ist. Denn nur mit dieser Passion Ziele zu erreichen ist es überhaupt möglich sich weiter zu entwickeln und neues zu versuchen. Ich will dir damit sagen, sei selbstbewusst und vertraue deinen Stärken! Und wenn du strauchelst hilft mir es darüber zu reden. Julia holt mich immer wieder auf den Boden zurück 🙂

Und am Renntag spule ich Routinen ab, verziehe mich in mein innerstes und versuche zu mir zu finden. Das Bild oben ist 30 Minuten vor dem Start und da war ich ganz bei mir und voll fokussiert.


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